Informationen für
Kooperationspartner
Gemeinsam Interessen verfolgen, die von einer Suchterkrankung betroffenen Menschen zugutekommen.
Das Selbstverständnis des VRA e.V.
Wofür wir stehen und mit welchem Blick wir auf unsere Aufgabe schauen.
Wir unterstützen Menschen, die keine Lobby haben, die ausnahmslos von Stigmatisierung betroffen sind und die in der Regel von Politik und Gesellschaft mit ihren Anliegen übersehen werden. Wir möchten dabei eine Haltung zeigen und einen Standpunkt einnehmen, der jeden Lebensweg anerkennt und der Tatsache Respekt zollt, wenn sich ein Mensch Hilfe sucht und Veränderungen herbeiführen möchte.
Dass wir im VRA e.V. mit diesem Standpunkt etwas Besonderes sind, das glauben wir zwar nicht. Wir wissen aber, dass dieser so nicht überall vertreten wird. Wir engagieren uns daher mit unserem Know-how, unserer Erfahrung und unserer Kreativität, dass die Zahl derer, die diese Haltung einzunehmen bereit sind, stetig wächst.
Formal gesehen ist der VRA e.V. ein Leistungserbringer im Rahmen der Eingliederungshilfe. Was das genau bedeutet, ist hin und wieder gar nicht so eindeutig. Nicht für jeden Hilfebedarf gibt es einen Paragraphen oder eine Kostenstelle. Deswegen wollen wir auch für etwas stehen, was gar nicht so leicht als Leistung zu beschreiben ist. Wir möchten unseren Klienten Stabilität bieten, Verständnis zeigen, Ernsthaftigkeit entgegenbringen, Lebensfreude schmackhaft machen, in Krisen beistehen… Und noch vieles andere mehr, was uns selbstverständlich erscheint und worüber uns im Augenblick selber gar nicht klar ist, dass man das in Worte fassen sollte und auf seine Homepage setzen kann.
Aber vielleicht fangen wir zunächst damit an, kurz in die Vergangenheit zu schauen.
Aus dem Umbruch entsteht ein Verein
Zur Geschichte des VRA e.V., bei der man eigentlich schon vor der Gründung des Vereins mit der Erzählung ansetzen muss.
Die Vorgeschichte des Vereins zur sozialen Rehabilitation von Abhängigkeitskranken (VRA e.V.) liegt in einer Zeit, in der mit dem Mauerfall 1989 viele Veränderungen und ein großer Wandel ausgelöst wurden. Weite Teile des gesellschaftlichen Lebens hatten quasi über Nacht eine andere Grundlage erhalten und mussten sich neu orientieren. Gleiches galt auch für die Inanspruchnahme und Erbringung von Suchtkrankenhilfe.
Bis zur Wende war dieser Bereich geregelt als Aufgabe der Sozialversicherung der DDR. Versorgungsleistungen wurden formal von der Psychiatrie übernommen. Neben den klinischen Entgiftungsbehandlungen gab es dabei kaum fachliche Unterstützungsangebote für sogenannten „Drehtürpatienten“ (also von einer Abhängigkeitserkrankung in einem schweren Ausmaß betroffene Menschen, deren schädlicher Gebrauch von Alkohol immer und immer wieder eine akute medizinische Interventionen notwendig macht). Andere (Be-)Handlungsspielräume und Ansätze wurden staatlich selten zugelassen, allenfalls gedulded. So fanden manche Betroffene Hilfe bei kirchlichen Trägern, die bis zur Wende einen Großteil der ergänzenden Angebote zum Sozialfürsorgesystem für diesen Adressatenkreis übernahmen.
In Leipzig gab es im Parkkrankenhaus Dösen eine psychiatrische Station im Haus B4. Im Dachgeschoss dieses Hauses befand sich mit der sogenannten Nachtklinik eines der wenigen Alternativangebote, die nicht über eine kirchliche Trägerschaft organisiert war oder als klassisches stationäres Setting diente. Hier übernachteten suchtkranke Patienten und wurden suchttherapeutisch betreut, während sie tagsüber ihren Routinen nachgingen.
In Folge der Umstellungen aller sozialen Strukturen nach dem Ende der DDR wurde auch die Nachtklinik geschlossen. In der Suchtkrankenhilfe wurden die Trägerschaften auf die Rechtsnormen und Zuständigkeiten nach dem Modell der Bundesrepublik zugeschnitten, was zunächst für dieses Angebot das Aus bedeutete. Damit stand erneut für die „Drehtürpatienten“ die Frage nach Hilfsangeboten in der Region Leipzig im Raum. Und hier beginnt die Geschichte des Vereins zur sozialen Rehabilitation von Abhängigkeitskranken…
Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Der VRA e.V. startete in einer Zeit des Umbruchs und des Aufbaus. Aus diesem Geist heraus sind Dinge entstanden, die bis heute wirken und sich weiterentwickeln können.
Nach dem Aus für die Nachtklinik setzten sich dessen damaliger Leiter, Dr. Leonhardt, gemeinsam mit Mitstreiterinnen und Mitstreiten weiter für entsprechende Hilfsangebote ein. Sie eruierten die Bedarfe und arbeiteten an Konzeptideen. Aus diesem Engagement erwuchs 1992 die Gründung des VRA e. V. Nach Verhandlungen mit Kosten- und Entscheidungsträgern wurden mit dem städtischen Parkkrankenhaus Mietverträge unterschrieben, so dass der VRA e.V. im Januar 1993 sein erstes Leistungsangebot in altbekannten Räumen, im Dachgeschoss des Hauses B4 (ehemalige Nachtklinik), als soziotherapeutische Wohnstätte (im heutigen Sinne eine besondere Wohnform) mit sieben Klienten eröffnen konnte. Ziel und Aufgabe war die Erhaltung der Alltagstauglichkeit mit Hilfe einer klar vorgegebenen Tagesstruktur. Durch die Nutzungsmöglichkeit des ganzen Hauses wurden sukzessive in den darauffolgenden Monaten immer neue Klienten aufgenommen, wodurch die Einrichtung mit einer Kapazität von 50 Plätzen Ende 1993 erstmal voll belegt war. Die Gründung war geschafft, die folgenden Jahre standen unter dem Zeichen der Konsolidierung…
…um dann zum Wachstum anzusetzen. 1998 erweiterte der VRA e.V. seine Versorgungsstrukturen in das Leipziger Umland. In der Gemeinde Großpösna, Ortsteil Güldengossa, erwarb der Verein das ehemalige Schulgebäude. Mit viel Sorgfalt und durch die Unterstützung des Sächsischen Sozialministeriums entstand hier eine zweite soziotherapeutische Wohnstätte mit 48 Plätzen.
2001 ist ein weiteres wichtiges Jahr in der Entwicklung des Vereins. Nicht unweit vom Haus Güldengossa, im gleichen Ortsteil gelegen, wurden die damals so genannten Therapeutischen Werk- und Sportstätten eröffnet. Hier gab es nun modern und funktional eingerichtete Werkstätten für die sinnstiftende interne Tagesstruktur sowie eine Sporthalle mit Außensportplatz. Gleichfalls 2001 startete im Markkleeberger Ortsteil Wachau die erste Außenwohngruppe des VRA e.V. Hauptaugenmerk in der täglichen Arbeit war und ist hier die weiterführende stabile und zufriedene Abstinenz, jedoch unter lockereren Bedingungen und deutlich mehr Eigenverantwortung. Dieser Standort bietet nunmehr Platz für 25 Klienten, die im Anschluss an die Unterstützung im Haus am Park oder im Haus Güldengossa ein weiterführendes Angebot erhalten.
2013 öffnete sich der Verein für die Maßnahmen des ambulant betreuten Wohnens. Fortan erhalten die Klienten für das erfolgreiche Durchlaufen der Angebotskette eine weitere Perspektive und erhalten Unterstützung nach ihren persönlichen Bedarfen in eigenem Wohnraum.
Bis hierhin verlief die Geschichte des VRA e.V. recht linear. Er konnte alle seine Angebote erfolgreich etablieren und sogar ausbauen. Ab 2017 geriet er erstmalig – und ausgerechnet mit seiner Gründungseinrichtung Haus am Park – in eine existenzielle Situation. Die Nutzung dieser beeindruckenden 120 Jahre alten, denkmalgeschützten Immobilie, umgeben von viel Grün, war nicht mehr länger möglich, da Investoren darauf aufmerksam wurden und die Einbindung des Gebäudes in ein umfassendes Neubau- und Sanierungsprojekt vorsahen. Mietverträge wurden gekündigt, die Stimmung war bedrückend. Klienten sahen sich vor der Obdachlosigkeit und das Fachteam fürchtete um seine Arbeitsplätze.
Bis zum Sommer 2019 konnte der Standort gehalten werden. Nur mit großem Aufwand, viel Geduld trotz knapper Zeit, und zahlreichen Helfern konnte das Projekt Umzug erfolgreich gemeistert werden. Seitdem leben die Klienten in einem Interim.
Diese Herausforderung bedeutet gleichzeitig, weiter gestalten und entwickeln zu müssen, also nicht still zu stehen und in der Notwendigkeit auch die Möglichkeit zur Verbessereung zu sehen. Mit diesem Geist geht der VRA e.V., gemeinsam mit engagierten Kooperationspartnern und einer tatkräftigen Mitarbeiterschaft, ebenso die Aufgabe an, seine Strukturen und Arbeitsweisen auf die Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes abzustimmen. Ein sozialrechtlicher Umbruch, der die Zusammenarbeit mit seinen Klienten seit 2020 grundlegend neu regelt.
Menschen, die beim VRA e.V. Unterstützung finden
Die Angebote des VRA e.V. richten sich an Menschen einer speziellen Zielgruppe, die besondere Unterstützingsleistungen benötigen und gesellschaftlich oft ausgegrenzt werden.
Bislang ist immer die Rede von „Drehtürpatienten“ gewesen. Das ist natürlich eine sehr verallgemeinernde und fachlich nicht korrekte Bezeichnung für eine Gruppe von Menschen, die schwer von einer Abhängigkeitserkrankung und ihren Folgen betroffen sind. Aber sie veranschaulicht als Metapher sehr gut, womit die Betroffenen zu kämpfen haben: mit einer immer weiter um sich greifenden Spirale aus exzessivem Gebrauch des Suchtmittels und fortlaufender Inanspruchnahme von medizinischer Krisenintervention.
In der Fachwelt existiert der Begriff CMA, der ausgesprochen Chronisch Mehrfachgeschädigt Abhängigkeitskrank – manchmal auch Chronisch Mehrfachbeeinträchtigt Abhängigkeitskrank – bedeutet. Die Chronifizierung der Abhängigkeitserkrankung ist dabei allerdings nicht das Alleinstellungsmerkmal dieser Gruppe gegenüber anderen Abhängigkeitskranken. Je nach Definition, Erhebung und Betrachtungsweise, konsumiert etwa jeder zehnte Mensch in diesem Land in gesundheitlich riskanter Form Alkohol, wovon nach Zählwiese des Bundesministeriums für Gesundheit 1,6 Millionen auch alkoholabhängig sind. Wie viele Menschen bundesweit davon nun zur Gruppe der CMA gehören, ist schwer zu bestimmen, was u.a. auch daran liegt, dass es zu diesem Feld kaum Forschungsergebnisse gibt.
Übereinstimmend wird aber anerkannt, dass zu dieser Gruppe von Abhängigkeitserkrankung betroffene Menschen gezählt werden, bei denen sich daraus resultierend körperliche Gesundheitsprobleme entwickelt haben, sie oftmals einen psychiatrischen oder neurologischen Behandlungsbedarf aufweisen und die überwiegend sozial isoliert leben, also nicht von sogenannten protektiven Faktoren, wie einem intakten familiären Umfeld, einem stabilen Freundeskreis, gesicherten Einkommensverhältnissen oder strukturierten Tagesabläufen, profitieren.
Man merkt schon anhand dieser recht sperrigen Definition, dass die Ausgangssituationen, mit denen unsere Klienten zu uns kommen, oftmals sehr komplex sind. Zugleich sind sie aber auch äußerst individuell, weil nicht jeder Verlauf gleich ist und die Schwerpunkte für Unterstützungsbedarfe variieren. Alle Schicksale haben allerdings gemein, dass medizinisch-therapeutische Hilfsangebote bei den betroffenen Menschen nicht mehr wirksam greifen können, um eine eigenständige und suchtmittelfeie Lebensführung zu ermöglichen.
Es ist davon auszugehen, dass bei diesem Ausmaß der Erkrankung die individuelle Verantwortung dafür in den Hintergrund tritt und die Verantwortung des Umfeldes entsprechend zunimmt. Je tiefgreifender die suchtbedingte Beeinträchtigung, desto weniger kann der Betroffene auf Maßnahmen zur Übernahme von Eigenverantwortung in die Pflicht genommen werden und desto bedeutungsvoller wird sein Umfeld. Da dieses im Hinblick auf die Abhängigkeitserkrankung in der Regel ungünstige Faktoren bietet und der Verantwortungsaufgabe nicht gerecht wird, weil die beteiligten Personen oftmals selbst einen Hilfebedarf aufweisen und gegen den Strudel einer Sucht ankämpfen, besteht die Notwendigkeit zur Neuorientierung innerhalb eines anderen Kontextes. Das selbstbestimmte, individuelle Handeln wird in dieser Konstellation immer durch den Umgang mit dem Suchtmittel behindert.
Es benötigt bei dieser Personengruppe zwingend Unterstützung durch Dritte, die sich ausgleichend einbringen und basale Funktionsfähigkeiten absichern helfen. An dieser Stelle tritt der VRA e.V. mit seinen Leistungen in Erscheinung.
Wie kann eine Zusammenarbeit oder Unterstützung aussehen?
Der VRA e.V. ist immer an Vernetzung und Kooperation interessiert, um für seine Klienten bedarfsgerechte und wirksame Leistungen erbringungen zu können.
Diese kann vielfältig sein. Wir sind gemeinsam mit unseren Klienten immer auf der Suche nach neuen Wegen, wie soziale Teilhabe ermöglicht werden kann. Erfahrungsgemäß sind dabei Partnerschaften oder Kooperationen hilfreich, um auch außerhalb des direkten Umfeldes der Einrichtungen sinnstiftende und lebensnahe Maßnahmen durchführen zu können. Wenn Sie eine Idee haben, unterstützen möchten oder selber auf der Suche nach Netzwerkpartnern sind, dann sprechen Sie uns gerne an.
Gleich gilt auch, wenn wissenschaftliche Forschung betrieben werden soll. Entsprechend seiner Satzung möchte der VRA e.V. sowohl Öffentlichkeitsarbeit im Sinne seiner Klientel betreiben, aber auch akademische Vorhaben unterstützen, die sich vornehmlich mit Prävention, Versorgungsstrukturen und Auswirkungen der Abhängigkeitserkrankung auseinandersetzen.
Und ja, auch die Form einer Spende kann für den Verein eine Unterstützung sein.